Dickblech schneiden: Warum Toleranz nicht gleich Toleranz ist – vor allem beim Plasmaschneiden

Dickblech wird geschnitten

Wenn es um das Schneiden von Dickblech geht, stehen viele Metallbauunternehmen vor der Frage: Plasma- oder Brennschneiden? Beide Verfahren sind für Materialstärken jenseits der 25 mm eine bewährte Lösung. Doch wer denkt, die Wahl hängt allein von Blechdicke und Maschinenpark ab, übersieht einen entscheidenden Punkt – die Toleranz. Genauer gesagt: das Zusammenspiel aus Schnittverlauf, Maßhaltigkeit und dem, was später tatsächlich gemessen wird.

Plasmaschneiden vs. Autogenschneiden: Die Grundlagen

Beim Plasmaschneiden wird der Werkstoff mit einem stark gebündelten, elektrisch erzeugten Plasmastrahl aufgeschmolzen und durch Gasdruck getrennt. Das Verfahren ist schnell, präzise und für Stärken bis etwa 40 mm gut geeignet – in speziellen Fällen auch darüber hinaus.

Das Brennschneiden (auch Autogenschneiden genannt) setzt auf eine Flamme mit Sauerstoffzufuhr. Es eignet sich besonders für dicke unlegierte Stähle – und kommt dort zum Einsatz, wo die Materialstärken 25 – 75 mm oder mehr erreichen.

Beide Verfahren liefern robuste Schnitte für Stahlbauteile, haben aber sehr unterschiedliche Charakteristika in Bezug auf Schnittbild, Wärmeeinfluss und Toleranzverhalten.

Toleranzen im Detail: Warum Plasma theoretisch genauer ist …

Auf dem Papier spricht vieles für das Plasmaschneiden, wenn es um enge Toleranzen geht:

  • Der Schnittspalt ist deutlich schmaler als beim Autogenverfahren: Dadurch hat das Bauteil weniger Platz um sich zu verschieben oder zu verdrehen
  • Der Wärmeeintrag ist geringer, wodurch sich das Bauteil weniger verzieht.
  • Die Schnittgeschwindigkeit ist höher, was die thermische Belastung reduziert.

Ergebnis: Plasmaschnitte sind meist maßhaltiger und zeigen weniger thermisch bedingte Verzüge – ideal also für mitteldicke Bleche im Bereich 25–40 mm, bei denen es auf Präzision ankommt.

… aber in der Praxis eine entscheidende Herausforderung bleibt: die Schnittkante

Die Herausforderung beim Plasmaschneiden liegt nicht in der Maßgenauigkeit des Prozesses selbst, sondern in der Geometrie der Schnittkante. Aufgrund des konischen Plasmastrahls entsteht häufig eine konkave Schnittfläche. Das bedeutet: Die Wand des Schnitts ist nicht senkrecht, sondern leicht nach innen gewölbt.

Diese Form wirkt sich direkt auf das Messergebnis aus – je nachdem, wo gemessen wird: an der Oberkante, an der Unterkante oder mittig. In der Praxis kann das zu messbaren Unterschieden von mehreren Zehntelmillimetern führen – auch wenn das Teil insgesamt im Toleranzbereich bleibt.

Besonders kritisch ist das bei der Maßhaltigkeit von Konturen für eine Baugruppe: Wird z. B. eine Bohrung in der CAD-Datei mit Ø30 mm geplant, kann das reale Maß zwischen Ober- und Unterseite etwas abweichen – obwohl der Prozess technisch korrekt ist. Wer das nicht berücksichtigt, erlebt beim Zusammenbau eine unliebsame Überraschung.

Autogenschneiden: Robuster, aber gröber

Beim Autogenschneiden ist der Schnittspalt breiter, die Wärmeeinflusszone deutlich größer, und die Bearbeitung langsamer. Dadurch kann es zu mehr Bewegung des Bauteils beim Schneiden und einem erhöhten Wärmeverzug kommen. Aber dafür ist das Verfahren besonders robust und zuverlässig sowie deutlich besser bei der Rechtwinkligkeit der Schnittkante – selbst bei extrem dicken Blechen. Allerdings muss man hier mit größeren Toleranzen rechnen, insbesondere in Randzonen oder bei filigranen Geometrien. Für einfache Konturen und grobe Stahlteile ist das Autogenverfahren trotzdem oft die wirtschaftlichste Lösung.

Fazit: Maßhaltigkeit beim Dickblechschneiden ist mehr als nur ein Toleranzwert

Die Wahl des Schneidverfahrens sollte nicht allein nach Dicke oder Kosten getroffen werden. Wer Wert auf präzise Maße, definierte Schnittkanten und reproduzierbare Ergebnisse legt, sollte die Toleranz nicht nur als Zahl, sondern im technischen Kontext betrachten.

Während das Plasmaschneiden bei Dickblech hervorragende Ergebnisse liefern kann, erfordert es auch ein Bewusstsein für die Form der Schnittkante und deren Einfluss auf die tatsächlichen Bauteilmaße. Genau hier trennt sich oft Theorie von Praxis – und Erfahrung von bloßen Datenblättern.